"Entschuldigung,
es tut mir leid, was passiert ist." Die Augenpaare aller im Pausenhof
stehenden sind auf mich gerichtet. Durchbohren mich, mit ihren Blicken.
Vereinzelt wird getuschelt. Vom 'Stolz' weit entfernt, werfe ich meine
Haare zurück, und mustere ihn mit einem kühlen Ausdruck. Ich hoffe,
meine Brille dämpft den Blick in meine Seele. Einst wurde mir einmal
gesagt, die Augen seien der Spiegel zur Seele. Jetzt kann ich nur
hoffen, das das eine Lüge ist, und er nicht hindurch sehen kann. Würde
er es doch können, wäre ich geliefert. Auf höchstem Niveau. Am Ende
wahrscheinlich am Boden sitzend, die Beine angewinkelt, die Arme darum
geschlungen, hin und her schaukelnd, und irgendeine dämliche Melodie
summend. Im Moment sieht es noch gut aus. Halbwegs. Klares Denken ist
noch vorhanden. Wäre dies dann eben nicht der Fall, würde der
Hexenkessel der angestauten, unterdrückten, außergewöhnlich starken
Emotionen überkochen. Die Scharade würde wie ein Kartenhaus in sich
zusammen fallen, und meine schwache, so lange geheim gehaltene Seite
offenbaren.
Wochen zuvor:
Nur
weil die Sonne scheint, muss es nicht zwingend heißen, das es ein
wunderschöner Tag wird. Vogelgezwitscher auf dem Schulweg, die Sonne,
die einem in den Nacken scheint, ein lauwarmes Lüftchen, das die Nase
umweht... so ein Schwachsinn. Was zur Zeit abgeht, ist die scheiß
Apokalypse, so sieht´s nämlich aus! Das 'Ende der Geschichte', ohne
'Reich Gottes', und ohne "Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie
glücklich und zu Frieden. Ende."-Epilog. Einfach ein großes "BÄM!".
Fertig. Wie in 'Resident Evil: Apocalypse'. Kurz vor Schluss, wo
Raccoon-City, von dieser abartig monströsen Atombombe in Schutt und
Asche gelegt wird. Nur ohne Zombies. Zu meinem Leidwesen. Obwohl. Je
nachdem, als was man die Menschen um sich herum auffasst. Im Grunde sind
es Zombies. Auf der Jagd nach den neusten Gerüchten, Lügen, Klatsch und
Tratsch, und der neusten Modeerscheinung. Eigener Wille absolut nicht
vorhanden. Würde ich sie fragen, was 'eigener Wille' für sie ist...
müsste ich wahrscheinlich aufgrund der Antworten, die sie mir geben
werden weinen. Sollten die, die hier angesprochen sind, wirklich lesen
können... wäre es doch von Vorteil, das ich mir einen neuen Namen, und
eine neue Identität zu lege. Zur Sicherheit, versteht sich. Manchmal
komme ich mir so vor, wie als wäre ich die Einzige, die es schafft einen
Tick tiefgründiger zu denken, als nur an der Oberfläche zu schwimmen.
Ob das der Wahrheit entspricht, oder nur Einbildung ist? Das muss ich
noch herausfinden.
Schule.
5 x wöchentlich. Von Montag bis Freitag. Ohne Pause. Wochenende:
Samstag und Sonntag. Normalerweise 6 Stunden. Wenn es schlecht läuft,
mehr als das. Gefühlte 300 Milliarden Leute, die einem die Luft weg
atmen. Im Alter von ca. 9 bis 19. Erbarmungslos. Lehrer gehören auch
noch zum Inventar der eben genannten 'Schule'. Diese sind die
Schlimmsten ihrer Art. Sie fragen einen ab, quälen, und finden Spaß
daran. Noten. 1 ist die Beste, 6 die Schlechteste. Von Noten hängt das
Leben ab. Ob man 'gut' ist, oder 'nicht gut'. Je besser man ist, desto
besser wird der Job, den man erlernen kann.
Meine
Mundwinkel verziehen sich zu einem hinterhältigen Grinsen. 2. Pause.
120 hat mich gehen, aus seinen Klauen. Die letzte Mathe-Stunde vor den
Ferien habe ich überlebt. Ein paar Kratzer habe ich davon getragen, das
aber wird Gott sei Dank wieder. Nehme ich an. Außer Mathe ist wie der
T-Virus (Der aus Resident Evil!), ich bin nun infiziert, werde langsam
mutieren, und dann im Endstadium meine Freunde essen. Hm. Klingt...
interessant. Von dort, wo ich immer rausgehe, um in die Aula zu kommen,
hat man einen perfekten Blick, auf alles. Jeden kleinen Zentimeter, um
genau zu sein. Ich kann sie alle beobachten. ALLE. Mit einem einzigen,
schweifenden Blick, über die Gesichter, die sich schon in kleinen
Grüppchen in ihren jeweiligen Ecken versammelt haben. Eines dieser
Gesichter, lehnt an einer Wand. Lässig, müde, dennoch ein wenig
aufmerksam. Als es mich erblickt, grinst es ebenfalls. Um es kurz
ausdrücken, in vier Worten: Es ist länger her. Länger her, das ich ihn
gesehen habe. Hat er sich verändert? Na ja. Vielleicht ein wenig. Seine
Haare - die, die sich in der Nacht um seinen Hals schlingen, wenn er
schläft, und ihn erwürgen wollen - sind ein wenig länger geworden, doch
sonst... ist alles beim Alten. Gut, ca. 5 Monate, spielen hier mit, doch
was soll´s.
"Zeiten
ändern sich, sagte der Stein zur Blume und flog davon. " Wenn sich
Zeiten ändern, wieso dann immer in die falsche Richtung? Nie in die
Richtung, die einem Glück bringt, oder die zu den Gunsten der Menschen
arbeitet. Niemals. Zu 99 % kommt die Schattenseite der Zeit hervor.
Zeit. Immer existent, nicht auszutricksen, schon seit Milliarden von
Jahren bekannt, und in den Köpfen der Menschen verankert. Ein ständiger
Begleiter. Wichtig, und fast schon wie Erde, Wasser, Feuer, Luft. Nur
eben wird diese durch vier Zahlen, in der Mitte ein Doppelpunkt, oder
durch ein Ziffernblatt angezeigt.
Mir
wurde von so vielen geraten, zu vergessen. Zu verdrängen.
Abzuschließen. Würde dies so einfach gehen, wie mir so oft schon geraten
wurde, so wäre vielleicht doch die Hoffnung bestanden, das ich nicht
verrückt werde. Ja. Ich bin verrückt. In meiner linken Hosentasche
befindet sich eine handliche Mini-Guillotine, mit der ich jeden, und
jede köpfen werde, der/die sich mir in den Weg stellt. Vielleicht auch
ohne Grund. Leicht mit Wasser abwaschbar, zusammenfaltbar, und vor
Polizeikontrollen geschützt, da es sie ja nur in meiner Fantasie gibt.
Genauso wie das grüne, haarige Monster, mit den langen Fingern, in
meinem Kleiderschrank, das im Dunkeln nach meinem Leben, und meinem
Fleisch trachtet. Und vielleicht auch meinem Wissen. Da wird es aber
nicht fündig werden. Die pinken Glitzereinhörner, mit denen ich zur
Schule fliege, stehen angeleint an einer Laterne, schräg rechts vom
Haupteingang entfernt. Und zu guter Letzt... der Kerl, oben an der Wand.
Nicht mehr, als eine Einbildung.
"Sind wir es wert, gerettet zu werden? Sag du´s mir." (George A. Romeros Diary of the Dead).
"Hey!
Starr da nicht so hoch, sonst fühlt er sich noch angegriffen! Oder
ziehst du ihn mit deinem Blick aus?", höre ich eine Stimme hinter mir
fragen. "Ausgezogen hab ich ihn schon. Auch ohne Blick...", murmle ich
geistesabwesend, und starre weiter. "Bilde ich mir das auch wirklich
nicht ein?" Ich bilde mir oft Dinge ein, die dann so gar nicht da sind,
wie ich sie sehe. "Ja. Sicher. Sonst würde ich ihn auch nicht sehen. Der
steht aber da oben. Guckt dich an. Seltsam, wenn du mich fragst." Ich
frage aber nicht. Ich frage nie. Ich nehme hin, und lasse geschehen.
Ohne daran zu rütteln. Wird schon seinen Grund haben. Hoffentlich. Wenn
nicht, habe ich all die Jahre wohl etwas falsch gemacht. So was
passiert. Menschen sind nicht perfekt. Ganz und gar nicht perfekt. Jeder
hat seine Leichen im Keller. Die einen wirklich, die anderen im
übertragenen Sinn. Was sind meine Leichen?
Das
ich mich noch auf den Beinen halten kann, verwundert mich. So sehr, wie
meine Knie hin und her wakeln, bei jedem Schritt, den ich die Treppen
vor mir hinunter gehe. Atmen fält mir schwer. Alles scheint sich ein
wenig zu drehen. Cool. Schräger, 3D-Boden. Ziemlich geil. Das auch noch
umsonst. Ich muss kein Geld im Kino dafür hinblechen, und eine seltsame
Brille aufsetzten. Was hab ich für ein Glück. Sollte ich es länger hier
in der Aula aushalten, kann ich für nichts garantieren. Ausraster,
Panikattacken - welchen ich gerade SEHR nahe bin - oder anderer,
lustiger Scheiß. Da bin ich vielseitig. Je nachdem, wie´s zur Situation
passt. Oder auch nicht.
Fast
schon fluchtartig, verlasse ich die Aula. Einfach weg. Weg, weg, weg.
Hinfort. In ein anderes Leben. Meins zurück lassen. War ja eh nichts
wert. Bzw. kaum etwas. Frische Luft, wäre von Vorteil. Um die Gedanken
in den Griff zu kriegen, und halbwegs runter zu kommen. Vom Trip des
letzten Jahres, und paar Monate, die sich dazu reihen. Dinge ungeschehen
machen, und weiter leben.
"Jetzt
hast du ihn ein wenig verwundert. Der hat fei voll geschockt geschaut."
Immer diese fliegenden Stimmen um mich herum. Wie Seifenblasen.
Mysteriös. "Mir egal. Ist mir alles egal. Soll er doch. Wenn´s im Freude
bereitet.", antworte ich trocken, und lache hysterisch. Absolute
Nebenwirkungen von menschlicher Abhängigkeit. Bzw. dem Entzug der
menschlichen Abhängigkeit. "Was ist denn los mit dir? Sonst hast du dich
doch immer gefreut, wenn er da war."
"Sind wir es wert, gerettet zu werden? Sag du´s mir." (George A. Romeros Diary of the Dead).
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